Sophie

Sophie

Ihre kleine Hand umschloss meine Finger. Der zarte Duft ihrer Babyhaut war mir so vertraut. Unentwegt sah sie mich an und lauschte meiner Stimme.

In den Wochen voller Vorfreude auf die Geburt ihres ersten Kindes hatte Sophie immer wieder leise vor sich hergesungen. Im Laufe der Zeit waren diesen wohlklingenden Tönen Worte erwachsen.
Sophie strich ihrer Tochter sanft über den Kopf. Der Flaum auf Lilly´s Kopfhaut erinnerte sie an Pusteblumen im lauen Sommerwind. Ergriffen von der bezaubernden Kraft ihres Glückes sah sie voller Dankbarkeit zu Nicolas hinüber, der das Feuer im Kamin entfachte. Obwohl der Sommer nahte, waren die Abende noch ein wenig frisch.

Nicolas! Lange hatte er sie umworben. Sophie hatte ihn ein wenig zappeln lassen, so sehr genoss sie seine Bemühungen um ihre Gunst. Doch eines Tages konnte auch sie sich ihrer Gefühle nicht länger erwehren und gab ihm ihr Ja-Wort. Seither waren sie einander in in tiefer Zuneigung verbunden. Gott segnete ihre Liebe mit der Geburt eines anmutigen Mädchens.
Nicolas schien ihren Blick zu spüren. Er drehte sich um und lächelte Sophie an. Es rührte ihn, seine Tochter wohlbehütet im Arme ihrer Mutter schlafen zu sehen. Er hatte seiner Gemahlin einen bequemen Stuhl gezimmert, dessen Lehne ihr als Stütze diente, wenn sie das kleine Bündel nährte.
Sophie zog die Decke enger um Lilly. Aus Leinen hatte sie die Decke genäht und in feinen Stichen mit dem Namen ihrer Tochter versehen.

Plötzlich fröstelte Sophie. Irritiert blickte sie zur Türe. Es war einer dieser seltsamen Augenblicke, in denen sie ein ungutes Gefühl beschlich. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihren Arm. Sophie schob den Ärmel ihres Kleides hoch. Lodernd brannte das Mal wie Feuer auf der Haut. Sie stieß einen Laut des Entsetzens aus. Erschrocken presste sie die Lippen aufeinander. Grelle Augen blitzten sie hasserfüllt an. Ihre zitternde Hand legte sich auf ihre Wange und ertastete eine Träne. Beinahe andächtig hob sie ihren Arm und legte ihre Wange auf das Mal. Kühl benetzte das Augenwasser die Zeichnung. Die Furcht schnürte ihr die Kehle zu. Sophie versuchte es abzuschütteln. Unbeholfen zerrte sie an dem Ärmel und bedeckte das Mal. Der Stoff zerriss. Nesselnd versuchte Sophie das Loch in ihrem Ärmel zu bedecken. Stummes schluchzen ließ ihren Körper erbeben. Sie schloss die Augen und hielt einen Augenblick inne, ehe sie es wagte ihren Kopf zu heben. Ihre Augen schweiften unsicher zur Tür. Nichts erinnerte an den Schrecken der letzten Sekunden. Der Schmerz ließ nach. Die Enge in ihrer Brust wich und ihr Atem beruhigte sich. Zu ihren Füßen lag ein blumenverzierter Knopf ihres Kleides.

Aus dem Augenwinkel konnte sie erkennen, dass Nicolas ihr den Rücken zugewandt hatte. Sophie war erleichtert. Sie wollte nicht, dass er sich sorgte. Behutsam hauchte sie ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn.

 

(Verfasserin: Michaela Rückert)